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Die gantze Heilige Schrifft: Deudsch (Luther 1545)

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Das Buch Hiob

Capitel 31

JCh habe einen Bund gemacht mit meinen augen / das ich nicht achtet auff eine Jungfraw.
2 Was gibt mir aber Gott zu lohn von oben? vnd was fur ein erbe der Allmechtig von der höhe?
3 Solt nicht billicher der Vnrechte solch vnglück haben? vnd ein Vbeltheter so verstossen werden?
4 Sihet er nicht meine wege / vnd zelet alle meine genge?
5 Habe ich gewandelt in eitelkeit / Oder hat mein fus geeilet zum betrug?
6 So wege man mich auff rechter wage / so wird Gott erfaren meine frömkeit.
7 Hat mein gang gewichen aus dem wege / vnd mein hertz meinen augen nachgefolget / vnd ist etwas in meinen henden beklebt.
8 So müsse ich seen / vnd ein ander fresse es / Vnd mein Geschlecht müsse ausgewurtzelt werden.
9 HAT sich mein hertz lassen reitzen zum Weibe / vnd habe an meines Nehesten thür gelauret.
10 So müsse mein Weib von einem andern geschendet werden / vnd andere müssen sie beschlaffen.
11 Denn das ist ein laster / vnd eine missethat fur die Richter.
12 Denn das were ein fewr / das bis ins verderben verzeret / vnd alle mein Einkomen auswurtzelte.
13 Hab ich verachtet das recht meines Knechts oder meiner Magd / wenn sie eine Sache wider mich hatten.
14 Was wolt ich thun / wenn Gott sich auffmacht? vnd was würde ich antworten / wenn er heimsucht?
15 Hat jn nicht auch der gemacht / der mich in Mutterleibe machte? vnd hat jn im Leibe eben so wol bereit?
16 Hab ich den Dürfftigen jr begirde versaget / vnd die augen der Widwen lassen verschmachten?
17 Hab ich meinen bissen allein gessen / vnd nicht der Waise auch dauon gessen?
18 Denn ich hab mich von Jugent auff gehalten wie ein Vater / vnd von meiner Mutterleib an hab ich gerne getröst.
19 HAB ich jemand sehen vmbkomen / das er kein Kleid hatte / vnd den Armen on decke gehen lassen?
20 Haben mir nicht gesegenet seine seiten / da er von den fellen meiner Lemmer erwermet ward?
21 Hab ich mit meiner hand vber den Waisen gefaren (1) / weil ich mich sahe im Thor macht zu helffen haben?
22 So falle meine schulder von der achseln / vnd mein arm breche von der rören.
23 Denn ich fürchte Gott wie ein vnfal vber mich / vnd kündte seine Last nicht ertragen.
24 Hab ich das Gold zu meiner zuuersicht gestellet / vnd zu den Goldklumpen gesagt / mein trost?
25 Hab ich mich gefrewet / das ich gros Gut hatte / vnd meine hand allerley erworben hatte?
26 Hab ich das Liecht angesehen (2) / wenn es helle leuchtet / vnd den Mond / wenn er vol gieng?
27 Hat sich mein hertz heimlich bereden lassen / das meine hand meinen mund küsse (3)?
28 Welchs ist auch eine missethat fur die Richter / Denn da mit hette ich verleugnet Gott von oben.
29 HAB ich mich gefrewet / wenns meinem Feinde vbel gieng / vnd habe mich erhaben / das jn vnglück betretten hatte?
30 Denn ich lies meinen mund nicht sündigen / das er wündschete einen fluch seiner Seelen.
31 Haben nicht die Menner (4) in meiner Hütten müssen sagen? o wolt Gott / das wir von seinem fleisch nicht gesettiget würden.
32 Draussen muste der Gast nicht bleiben / sondern meine thür thet ich dem Wanderer auff.
33 Hab ich meine schalckheit wie ein Mensch gedeckt / das ich heimlich meine missethat verbörge?
34 Hab ich mir grawen lassen fur der grossen Menge / vnd die verachtung der Freundschafften mich abgeschreckt hat? Jch bleib stille / vnd gieng nicht zur thür aus.
35 WER gibt mir einen Verhörer / das meine begirde der Allmechtige erhöre? das jemand ein Buch schriebe von meiner sache.
36 So wolt ichs auff meine achseln nemen / vnd mir wie eine Kron vmbbinden.
37 Jch wolt die zal meiner genge ansagen / vnd wie ein Fürst (5) wolt ich sie dar bringen.
38 Wird mein Land wider mich schreien / vnd mit einander seine fürche weinen.
39 Hab ich seine früchte vnbezalet gessen / vnd das leben der Ackerleuten sawr gemacht.
40 So wachse mir disteln fur weitzen / vnd dornen fur gersten. Die wort Hiob haben ein ende.


(1) Hin vnd wider getrieben.
(2) Das ist / Wenn mirs glückselig gienge / habe ich nicht meine freude darinnen gehabt.