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Die gantze Heilige Schrifft: Deudsch (Luther 1545)

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Vorrede auff den Propheten Jesaiam.

WEr den heiligen Propheten Jesaiam wil nützlich lesen / vnd deste bas verstehen / Der lasse jm (so ers nicht besser hat oder weis) diesen meinen rat vnd anzeigung nicht veracht sein. Zum ersten / Das er den Titel oder anfang dieses buchs nicht vberhüpffe / sondern auffs aller beste lerne verstehen. Auff das er sich nicht düncke / er verstehe Jesaiam fast wol / vnd müsse darnach leiden / das man sage / Er habe den Titel vnd erste zeile noch nie verstanden / schweige denn / den gantzen Propheten. Denn derselbige Titel ist fast fur eine glose vnd liecht zu halten vber das gantze Buch / Vnd Jesaias auch selbs gleich mit fingern seine Leser dahin weiset / als zu einer anleitunge / vnd grund seines Buchs. Wer aber den Titel veracht / oder nicht verstehet / dem sage ich / das er den Propheten Jesaiam mit frieden lasse / oder je nicht gründlich verstehen werde / Denn es vnmüglich ist / des Propheten wort vnd meinung richtiglich vnd klerlich zuuernemen oder zu mercken / on solches des Titels gründlich erkentnis. DEn Titel aber meine vnd heisse ich nicht alleine / das du diese wort / Vsia / Jotham / Ahas / Jeheskia / der könige Juda etc. lesest oder verstehest. Sondern fur dich nemest das letzte Buch von den Königen / vnd das letzte Buch der Chronica / dieselbigen wol einnemest / Sonderlich die Geschicht / rede / vnd zufelle / so sich begeben haben vnter den Königen / die im Titel genennet sind / bis zu ende der selbigen Bücher / Denn es ist von nöten / so man die Weissagung verstehen wil / das man wisse wie es im Lande gestanden / die Sachen drinnen gelegen sind gewesen. Wes die Leute gesinnet gewest / oder fur anschlege gehabt haben / mit oder gegen jre Nachbar / Freunde vnd Feinde. Vnd sonderlich wie sie sich in jrem Lande gegen Gott / vnd gegen den Propheten in seinem wort vnd Gottesdienst oder Abgötterey gehalten haben.

Lender vmb Jerusalem vnd Juda gelegen.

ZV dem were auch wol gut / das man wüste / wie die Lender aneinander gelegen sind / Damit die auslendischen / vnbekandten wort vnd namen / nicht vnlust zu lesen / vnd finsternis oder hindernis im verstand macheten. Vnd auff das ich meinen einfeltigen Deudschen einen Dienst dazu thu / wil ich kürtzlich anzeigen die Landschafft vmb Jerusalem oder Juda gelegen / darin Jesaia gelebt vnd geprediget hat / Damit sie deste bas sehen / wo sich der Prophet hin keret / wenn er weissagt / gegen Mittage / oder Mitternacht etc.
GEgen Morgen hat Jerusalem oder Juda / am nehesten das Todtemeer / da vor zeiten Sodom vnd Gomorra gestanden ist. Jenseid dem Todtenmeer ligt das land Moab / vnd der kinder Ammon. Darnach weiter hinüber ligt Babylon oder Chaldea / vnd noch weiter der Perser Land / Dauon Jesaia viel redet.
GEgen Mitternacht ligt der Berg Libanon / vnd hinüber bas Damascus vnd Syria / Aber weiter enhindern zu Morgen werds / ligt Assyria / Dauon auch Jesaia viel handelt.
GEgen Abend ligen die Philister am grossen Meer / die ergesten Feinde der Jüden / vnd dasselbige Meer hinab zur Mitternacht zu / ligt Zidon / vnd Tyrus / welche grentzen mit Galilea.
Gegen Mittage hats viel lender / als Egypten / Morenland / Arabiam / das Rotemeer / Edom vnd Midian / Also das Egypten gegen Abend im mittag ligt.
DJS sind fast die Lender vnd namen / da Jesaia von weissagt / als von den Nachbarn / Feinden / vnd Freunden / so vmbs Land Juda her ligen / wie die Wolff vmb einen Schaff stal. Mit welcher etlichen sie zu weilen Bund vnd wider bund machten / vnd halff sie doch nichts.

Wo von der Prophet Jesaia handelt.

DArnach mustu den Propheten Jesaiam in drey teil teilen / Jm ersten handelt er / gleich wie die andern Propheten / zwey stück / Eines / Das er seinem Volck viel prediget / vnd strafft jr mancherley sünde / Fürnemlich aber die manchfeltige Abgötterey / so im Volck vberhand hatte genomen (Wie auch jtzt vnd alle zeit frome Prediger bey jrem Volck thun / vnd thun müssen) Vnd behelt sie in der zucht mit drewen der straff / vnd verheissen des guten.
DAs ander / das er sie schicket vnd bereitet / auff das zukünfftige reich Christi zu warten / von welchem er so klerlich vnd manchfeltiglich weissagt / als sonst kein Prophet thut / Das er auch die Mutter Christi / die Jungfraw Maria beschreibt wie sie jn empfangen vnd geberen solt / mit vnuerserter Jungfrawschafft Cap. vij. Vnd sein Leiden im liij. Cap. sampt seiner aufferstehung von Todten / vnd sein Reich gewaltiglich vnd dürre eraus verkündigt / als were es dazu mal geschehen / Das gar ein trefflicher / hocherleuchter Prophet mus gewesen sein. Denn also thun alle Propheten / das sie das gegenwertige Volck leren vnd straffen / Da neben Christus zukunfft vnd Reich verkündigen / vnd das Volck drauff richten vnd weisen / als auff den gemeinen Heiland / beide der vorigen vnd zukünfftigen. Doch einer mehr denn der ander / einer reichlicher denn der ander / Jesaias aber vber sie alle am meisten vnd reichlichsten.
JM andern hat er ein sonderlichs zuthun / mit dem Keiserthum zu Assyrien / vnd mit dem keiser Sanherib / Da weissagt er auch mehr vnd weiter von / denn kein ander Prophet. Nemlich / wie der selbige Keiser alle vmbligende Lender würde gewinnen / auch das königreich Jsrael / Dazu viel vnglücks anlegen dem Königreich Juda. Aber da helt er als ein Fels mit seiner verheissung / wie Jerusalem solle verteidingt / vnd von jm erlöset werden. Welchs Wunder wol der grössesten eines ist / so in der Schrifft erfunden wird / Nicht allein der Geschicht halben / das solcher mechtiger Keiser / solte fur Jerusalem geschlagen werden / Sondern auch des glaubens halben / das mans hat gegleubt. Wunder ists / sage ich / das jm ein Mensch zu Jerusalem hat können gleuben / in solchem vnmüglichem stücke. Er wird on zweiuel offt haben müssen viel böser wort der Vngleubigen hören. Noch hat ers gethan / den Keiser hat er geschlagen / vnd die Stad verteidigt. Darumb mus er mit Gott wol dran / vnd ein thewrer Man fur jm geacht sein gewest.
JM dritten stücke / Hat er mit dem Keiserthum zu Babel zuthun / Da weissagt er von dem Babylonischen gefengnis / damit das Volck solt gestrafft / vnd Jerusalem verstöret werden / durch den Keiser zu Babel. Aber hie ist seine grösseste erbeit / wie er sein zukünfftig Volck / in solcher zukünfftiger Verstörunge vnd Gefengnis / tröste vnd erhalte / das sie ja nicht verzweiueln / als sey es mit jnen aus vnd Christus Reich würde nicht komen / vnd alle Weissagung falsch vnd verloren sein.
WJe gar reiche vnd volle predigt thut er da / das Babel solle widerumb verstöret / vnd die Jüden los werden / vnd wider gen Jerusalem komen. Das er auch anzeiget mit hohmütigem trotz wider Babel / die namen der Könige / welche Babel sollen verstören / nemlich / die Meder vnd Elamiter oder Perser. Sonderlich aber den König / der die Jüden solt los machen / vnd gen Jerusalem wider helffen / nemlich / Cores / den er nennet den Gesalbeten Gottes / so lange zuuor / ehe denn ein Konigreich in Persen war. Denn es ist jm alles vmb den Christum zu thun / Das desselbigen Zukunfft / vnd das verheissen Reich der gnaden vnd seligkeit / nicht veracht / oder durch vnglauben vnd fur grossem vnglück vnd vngedult / bey seinem Volck verloren / vnd vmb sonst sein muste / wo sie des nicht wolten warten / vnd gewislich zukunfftig gleuben. Dis sind die drey stücke / damit Jesaias vmbgehet.

Was fur Ordnung der Prophet halte.

ABer die Ordenung helt er nicht / das er ein jglichs an seinem ort / vnd mit eigenen Capiteln vnd blettern fassete / Sondern ist fast gemenget vnternander / das er viel des ersten stücks / vnter das ander / vnd dritte mit einfüret / vnd wol das dritte stück etwa ehe handelt / denn das ander. Ob aber das geschehen sey / durch den / so solche seine Weissagung zusamen gelesen vnd geschrieben hat / (Als man im Psalter auch achtet geschehen sein) oder ob ers selbs so gestellet hat / darnach sich zeit / vrsachen vnd Person / zugetragen haben / von eim jglichen stücke zu reden / welche zeit vnd vrsachen nicht gleich sein / noch ordnung haben mügen / das weis ich nicht.
SO viel Ordnung helt er / Das er das erste / als das furnemeste stücke / zeucht vnd treibt von anfang / bis ans ende beide durchs ander vnd dritte stücke. Gleich wie auch vns gebürt in vnsern Predigten zuthun / das vnser furnemest stücke / die Leute zu straffen / vnd von Christo zu predigen / jmer mit vnterlauffe / Ob wir gleich etwas anders zu weilen zufelliglich furhaben zu predigen / als vom Türcken oder vom Keiser etc.
HJeraus kan nu ein jglicher den Propheten leichtlich fassen / vnd sich drein schicken / Das jn die Ordnung (als bey den vngewoneten scheinet) nicht jrre noch vberdrüssig mache. Wir zwar haben müglichen vleis gethan / das Jesaias gut / klar deudsch redet / wiewol er sich schweer dazu gemacht / vnd fast gewehret hat. Wie das wol sehen werden / so Deudsch vnd Ebreisch wol können. Allermeist aber / die Dünckelmeister / die sich düncken lassen / sie könnens alles. Denn er ist im Ebreischen fast wol beredt gewest / das jn die vngelencke Deudsche zunge sawr ankomen ist.
WAS fur nutz aber haben müge / wer Jesaiam lieset / das wil ich den Leser lieber selbs erfaren lassen / denn erzelen. Vnd wer es nicht erferet noch erfaren wil / dem ist auch nicht nütze viel dauon zu rhümen. Er ist fur war voller lebendiger / tröstlicher / hertzlicher Sprüche / fur alle arme Gewissen / vnd elende betrübte Hertzen. So ist auch der Drewsprüche vnd schrecken wider die verstockten / hoffertigen harten köpffe der Gottlosen / gnug drinnen / wo es helffen solt.
DV solt aber Jesaiam bey dem Jüdischen volck nicht anders ansehen / denn als einen verachteten Man / Ja wie einen Narren vnd Vnsinnigen. Denn wie wir jn jtzt halten / so haben sie jn nicht gehalten / Sondern wie er selbs zeuget / Cap. lviij. haben sie die Zungen gegen jm her aus gereckt / vnd mit Fingern auff jn geweiset / vnd alle seine Predigt / fur Narrheit gehalten. On gar ein wenig fromer Gottes kinder im hauffen / als der König Ezechias etc. Denn es war die gewonheit bey dem Volck / die Propheten zu spotten / vnd fur Vnsinnig zu halten iiij. Reg. ix. Wie denn allen Gottes Dienern vnd Predigern alle zeit geschehen ist / teglich geschicht / vnd fort hin geschehen wird.
Das kan man auch da bey mercken / Das er das Volck am meisten strafft / vmb die Abgötterey / Die andern Laster / als prangen / saussen / geitzen / rütet er kaum drey mal. Aber die vermessenheit auff jr erwelete Götzendienst vnd eigen werck / oder trost auff Könige vnd Verbündnis / straffet er durch vnd durch / Welchs dem Volck vnleidlich war / denn sie wolten recht darin sein. Derhalben er auch zu letzt durch König Manasse / als ein Ketzer vnd Verfürer / sol getodtet vnd (als die Jüden sagen) mit einer Seghe von einander geschnitten sein.


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